Auch wenn der Begriff "Kampfhund" medial gesehen sehr anschaulich ist und dazu angetan ist, die Ängste der Bevölkerung zu schüren, so ist er doch sachlich nicht richtig. Denn "den Kampfhund" als biologische Einheit gibt es nicht. Im historischen Sinne waren Kampfhunde Hunde, die in der Antike mit in den Kampf genommen wurden. Sie sollten in erster Linie groß sein, um dem Gegner Furcht einzuflößen. Daneben sollten sie eine möglichst hohe Reizschwelle haben, um im Kampfgetümmel nicht kopflos das Weite zu suchen. In jüngerer Zeit gibt es eine Gruppe von Hunden, die gezielt für Hundekämpfe gezüchtet wurden. Diese Hunde sollen eine hohe Aggressivität haben, die aber ausschließlich auf Artgenossen gerichtet sein sollte. Hundekämpfe sind seit langer Zeit verboten, nichts destoseweniger existiert eine Untergrundszene, in der Hundekämpfe stattfinden. Für diese Kämpfe werden Hunde entweder gezielt gezüchtet oder abgerichtet und verwendbar sind dafür grundsätzlich Hunde verschiedenster Rassen oder Mischlinge.
Den "Kampfhund" im Sinne des Wortes gibt es also ausschließlich in einer kleinen kriminellen Szene und ganz sicher nicht in den Wohnzimmern oder Gärten der durchschnittlichen Hundehalter.
Was es allerdings sehr wohl gibt, das ist der gefährliche Hund. Und den gefährlichen Hund, den gibt es quer durch alle Rassen und durch alle Gesellschaftsschichten. Der Anteil von gefährlichen Hunden an der Gesamthundepopulation ist allerdings verschwindend klein. Weit mehr als 99% aller Hunde werden niemals in ihrem Leben auffällig. Der Gesetzgeber steht nun dennoch vor dem zugegebenermaßen schwierigen Problem, dem berechtigten Wunsch der Bürger nach Schutz vor gefährlichen Hunden zu entsprechen. Und damit stellt sich in erster Linie einmal ein Definitionsproblem. Die anscheinend einfachste Lösung ist die Definition bestimmter Hunderassen als besonders gefährlich, sozusagen die Erstellung einer "roten Liste", und die Verhängung von Auflagen für diese Hunde, die von Leinen- und Beißkorbzwang über Halte- und Zuchtverbot bis zu Wegnahme und Euthanasie der Hunde gehen kann.
Ganz abgesehen davon, das in einem Rechtsstaat die Wegnahme und Euthanasie eines Hundes gegen den Willen des Eigentümers und ohne vernünftigen Grund rechtswidrig ist, und ein absoluter Leinenzwang auch aus einem primär ungefährlichen Hund einen gefährlichen machen kann, ist die Definition der Gefährlichkeit allein aufgrund der Rassezugehörigkeit sachlicher Unsinn.
Was also macht einen Hund gefährlich?
Da wäre zunächst die Sache mit der Aggression. Aggression ist ein Merkmal, das in der Art Hund recht fest verankert ist, da es bei der Evolution und Domestikation des Hundes eine ganz wichtige Rolle gespielt hat. Bei den Stammvätern der Hunde, den Wölfen, verpaaren sich auch nur die ranghöchsten Tiere miteinander und die Rangordnung wird auf aggressive Art und Weise ausgehandelt. Damit kamen immer nur die Tiere zur Fortpflanzung, die die Rangordnungsauseinandersetzung erfolgreich bestanden haben. In der Domestikation hat sich diese Selektion auf Aggressivität fortgesetzt, denn bei fast jeder Verwendung des Hundes im Dienste des Menschen spielte die Aggression eine mehr oder weniger große Rolle. Ob es die Verwendung als Wächter von Haus und Hof (territoriale Aggression), der Einsatz als Jagdhund (Beuteaggression, Verteidigungsaggression) oder die Verwendung als Hütehund (Dominanzaggression, territoriale Aggression) war, die Tiere mit den ausgeprägtesten Aggressionsmerkmalen wurden zur Weiterzucht verwendet. Dabei war aber die züchterisch begünstigte Aggression so gut wie niemals gegen den Menschen gerichtet.
Aggression alleine macht einen Hund aber noch nicht gefährlich. Nur wenn diese Aggression durch bestimmte Reize auch ausgelöst wirt, wird der Hund gefährlich. Und dafür ist unter anderem auch die Reizschwelle des Hundes verantwortlich. Je höher die Reizschwelle eines Hundes ist, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, daß seine Aggression ausgelöst wird. Wirklich gefährlich ist also ein Hund, wenn er ein hohes Aggressionspotential bei gleichzeitig niedriger Reizschwelle hat. Sowohl Aggression als auch Reizschwelle eines Hundes sind zwar grundsätzlich genetisch verankert, werden aber durch Umwelt- und Haltungsbedingungen verändert. So sinkt z.B. die Reizschwelle eines Hundes, wenn er niemals oder zu wenig Gelegenheit hat, sich frei zu bewegen. Ein ständiger Leinenzwang als Maßnahme zur Prävention von Hundebissen ist somit als äußerst problematisch anzusehen, da durch den damit verbundenen Mangel an Bewegung die Reizschwelle des Hundes sinkt und er damit de facto gefährlicher wird.
Eine weitere ganz wichtige Gefahrenursache ist der Halter des Hundes. Und da gibt es vor allem zwei Typen von gefährlichen Besitzern.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Unfallsituation. Da es beim Hund verschiedene Aggressionsformen gibt, gibt es auch unterschiedliche Situationen, die diese Aggression auslösen. So gibt es unter Beachtung der verschiedenen Aggressionsformen sehr typische Unfallsituationen:
Vermeidung solcher typischer Unfallsituationen stellt somit eine sehr wirksame Schutz- und Präventivmaßnahme vor Hundebissen dar.
Woran erkennt man aber nun einen gefährlichen Hund?
Grundsätzlich einmal daran, daß er bereits einmal oder mehrfach durch aggressives Verhalten aufgefallen ist. Hunde sind, wenn sie gefährlich sind, Wiederholungstäter. Eine sehr wirksame Präventionsmaßnahme ist somit die Definition von auffällig gewordenen Hunden als gefährlich und die Belegung dieser Hunde und ihrer Besitzer mit entsprechenden Auflagen. Damit könnte bereits ein sehr großer Teil von Verletzungen durch Hunde vermieden werden.
Oft wird auch der große Hund als besonders gefährlich angesehen. Das ist aber auch nur bedingt richtig. Es ist zwar klar, daß ein großer Hund, wenn er beißt, mehr Schaden anrichten kann als ein kleiner, einen Hund grundsätzlich als gefährlich anzusehen, nur weil er eine bestimmte Größe überschreitet, ist aber ebenso wenig sinnvoll, wie die Gefährlichkeit auf der Basis der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse zu definieren.
Was kann man noch tun?
Es gibt einige Maßnahmen, die getroffen werden können, um das Risiko von Verletzungen durch Hunde zu mindern. Dazu sind aber nicht nur die Gesetzgeber gefragt, sondern in erster Linie jeder einzelne Hundebesitzer.
A. Prof. Dr. Irene Stur, Institut für Tierzucht und Genetik der VUW